Verhandeln statt verzögern.
Die Position der GRÜNEN in Pullach zu den Umbauplänen von United Initiators
Die Ausgangslage: United Initiators haben das Baurecht
Eines steht fest: Das Unternehmen United Initiators hat Baurecht für das Gelände, auf dem sie ihre Umbaupläne – Big Wings – umsetzen wollen. Ab dem Moment, an dem das Unternehmen mit Bauplänen an die Gemeinde herantritt, kann die Gemeinde bestehendes, auch einige Jahre ungenutztes Baurecht nicht mehr zurücknehmen, das käme einer Enteignung gleich.
Ziel grüner Industriepolitik: Rahmenbedingungen für sozial-ökologische Transformation schaffen
Im Grundsatzprogramm der GRÜNEN von 2020 ist beschrieben, worauf es ankommt: Keine industriefeindliche Politik betreiben, sondern die sozial-ökologische Transformation der Industrie zu nachhaltiger und ressourcenschonender, klimaneutraler Produktion.
Wir begrüßen es daher, dass die Gemeinde sich die Aufgabe stellt, Veränderungen im Unternehmen United Initiators mitzugestalten – im Interesse Pullachs und im Interesse von Klimaschutz sowie von Arten- und Umweltschutz.
Grüne Kernanliegen
“Regulierung ist kein Selbstzweck. Sie muss sich an gesellschaftlichen Zielen orientieren”, so steht es in unserem Grundsatzprogramm (§116). Für uns GRÜNE sind diese Ziele:
- Recht der Menschen auf Leben und Gesundheit
- Erhalt der Biodiversität, Schutz der Natur
- Schutz des Klimas
Wir halten es für notwendig, die Umbaupläne von UI dahingehend zu überprüfen, ob es durch die Pläne zu einer Beeinträchtigung einer der o.g. Kernanliegen kommen kann. Wir erwarten, dass die von verschiedenen Seiten vorgebrachten Sorgen anlässlich der Umbaupläne von UI sorgfältig berücksichtigt werden und entweder als unzutreffend ausgeräumt werden können oder – falls es zu einer Beeinträchtigung kommen kann – durch Verhandlung zwischen Gemeinde und UI eine Verbesserung erzielt wird.
Den Sorgen der Bevölkerung hinsichtlich weiterer Gefährdung ihrer Gesundheit kann im Rahmen des Bauleitverfahrens nur unzureichend begegnet werden, da die Einhaltung der Regeln des Bundesimmissionsschutz nicht von der Gemeinde geprüft und genehmigt wird. Auch die Umstellung nicht nur der neuen Läger, sondern des gesamten Betriebs auf erneuerbare Energie erfordert andere “Werkzeuge” der kommunalen Einflussnahme. Die folgenden Prüfkriterien und Vorschläge beziehen sich auf das Bauleitverfahren und auf darüber hinaus gehende Verhandlungen.
Prüfkriterien und Vorschläge
A Auswirkungen auf die Sicherheit der Wohnbevölkerung
Die Sicherheit der Anwohner hat für uns oberste Priorität. Allerdings wird das Chemiewerk nicht durch die Gemeinde Pullach überwacht, sondern durch die für den Immissionsschutz zuständigen Behörden. United Initiators unterliegen der sogenannten Störfallverordnung. Das bedeutet, dass umfangreiche Vorkehrungen zu treffen sind um Unfälle auszuschließen. Ferner muss alles getan werden, um im Falle eines Unfalls den Schaden geringstmöglich zu halten und lokal einzugrenzen. Wenn doch ein Unfall passiert, müssen die Ursachen genau analysiert werden, und es sind Maßnahmen zu treffen um eine Wiederholung zu verhindern.
Diese Vorschriften werden streng überwacht und regelmäßig überprüft. Wenn – wie jetzt im Fall der Umbaupläne – Änderungen im Betrieb vorgesehen sind, ist eine erneute sicherheitstechnische Überprüfung und Genehmigung notwendig.
Solange die zuständigen Behörden keine Bedenken formulieren, sehen wir keine konkrete Zunahme einer Gefährdung der Sicherheit der Anwohner.
Dieser Verweis auf andere zuständige Behörden nimmt freilich nicht die Bedenken um die Sicherheit der Wohnbevölkerung und der Belegschaft. Die Tatsache, dass Anwohner vor allem an der Richard-Wagner-Straße (Abwasser-Hauptkanal) immer wieder unangenehme Gerüche wahrnehmen, stärkt die Sorge um die Gesundheit. Diese Geruchsbelästigung sollte das Unternehmen UI unbedingt unterbinden, und sie sollten dazu auch rechtsverbindlich verpflichtet werden – unabhängig vom Bauleitverfahren.
Wir sind davon überzeugt, dass die Bevölkerung ein Recht darauf hat, intensiv über den Charakter der Gefährdung und über die Sicherheitsvorkehrungen informiert zu werden. Wir schlagen daher eine Informationsveranstaltung nur zu diesem Thema vor. Bei dieser Veranstaltung sollten unabhängige, in der Sache kompetente Experten zu Wort kommen, aber auch Vertreter der Belegschaft, die über den Umgang mit gefährlichen Situationen berichten können.
Ohne für die Beurteilung der Gefährdung zuständig zu sein, haben wir GRÜNE uns eingehend mit dem Charakter und der Art der Gefahrstoffe, mit denen bei UI hantiert wird, und den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen beschäftigt. Auf unserer Webseite sind unsere Erkenntnisse beschrieben.
https://www.pullach-gruene.de/fragen-zu-united-initiators
B Auswirkungen auf Waldflächen
Wir wollen unsere Wälder erhalten und naturnahe und klimastabile Wälder aufbauen. Daher stören wir uns an der geplanten Rodung von ca. 6.160 qm Wald (bei einer gesamten Waldfläche von ca. 63.000 qm in dem Planungsgebiet). Ersatzpflanzungen sind in unseren Augen unbedingt erforderlich.
Nach unserem Kenntnisstand wird die Gemeinde Ersatzaufforstungen auf einer Fläche von 6.340 qm vertraglich vorschreiben und der hochwertige Gehölzbestand im Nordwesten des Planungsgebietes wird erhalten bleiben. Dies kompensiert in unseren Augen die geplante Waldrodung in ausreichender Weise – auch, da die Artenzusammensetzung von Teilflächen des bestehenden Waldes mit gebietsfremden Arten zu einem stabilen Laubwald aus gebietsheimischen, standortgerechten Arten umgewandelt werden und es somit zu einer Aufwertung des bestehenden Waldes kommt.
Wir würden es jedoch zusätzlich sehr begrüßen, wenn der ökologisch sehr hochwertige Gehölzbestand (alte Buchen mit Stammumfängen von 1,2 bis 2,9 m) im Nordwesten des Planungsgebietes erhalten bleiben könnte.
C Auswirkungen auf das Landschaftsbild und den Naturhaushalt
Wir streben bei Baumaßnahmen generell eine Vermeidung oder einen Ausgleich von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und des Naturhaushalts an. Bei dem Bauvorhaben von UI sind erhebliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts zu erwarten. Daher besteht für uns unbedingter Kompensationsbedarf.
Nach unserem Kenntnisstand wird die Gemeinde Kompensationsmaßnahmen (Neuentwicklung und Aufwertung von naturnahem Wald sowie arten- und strukturreichen Waldrand, Schaffung von arten- und blütenreiche Wildblumensäume und Hecken) im Planungsgebiet auf einer Fläche von ca. 13.000 qm vertraglich vorschreiben. Dies kompensiert in unseren Augen die negativen Auswirkungen der Baumaßnahmen auf das Landschaftsbild und den Naturhaushalt in ausreichender Weise – auch, da durch die verschiedenen Maßnahmen eine Erhöhung der Artenvielfalt im Planungsgebiet im Vergleich zum jetzigen Zustand zu erwarten ist.
D Auswirkungen auf den Lebensraum von seltenen oder geschützten Tieren und Pflanzen
DIE GRÜNEN: Wir streben generell bei Baumaßnahmen an, negative Auswirkungen auf den Lebensraum von seltenen oder geschützten Tieren und Pflanzen zu vermeiden oder aber geeignete Maßnahmen zum Schutz von Tieren und Pflanzen zu ergreifen. Laut einer artenschutzrechtlichen Prüfung leben derzeit u.a. Fledermäuse (Bartfledermaus), Haselmaus, Zauneidechse sowie zwölf saP-relevante Vogelarten (darunter Mehlschwalbe und Wanderfalke als Brutvögel) im Untersuchungsgebiet. Die geplanten Baumaßnahmen sind mit einem Verlust von Lebensräumen für viele der genannten und weiteren Tierarten verbunden. Daher besteht aus unserer Sicht dringender Handlungsbedarf zum Schutz von Tieren und Pflanzen.
Laut der artenschutzrechtlichen Prüfung sind Vermeidungs- und vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen für Vögel, Fledermäuse, Haselmaus und Zauneidechse möglich, die vermeiden, dass geschützte Fortpflanzungs- und Ruhestätten verloren gehen bzw. Tiere verletzt, getötet und gestört werden. Dazu gehört z.B. die Umsiedlung der betroffenen Haselmauspopulation, die Pflanzung von Nahrungssträuchern, das Anlegen von Reisighaufen und das Anbringen von künstlichen Verstecken).
Nach unserem Kenntnisstand wird die Gemeinde Vermeidungs- und vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen für Vögel, Fledermäuse, Haselmaus und Zauneidechse vertraglich vorschreiben. Solange diese Maßnahmen alle in der artenschutzrechtlichen Prüfung vorgeschlagenen Maßnahmen umfassen und vollständig umgesetzt werden, halten wir dies für ausreichend, um negative Auswirkungen auf den Lebensraum von seltenen oder geschützten Tieren und Pflanzen ausreichend zu minimieren.
E Auswirkungen auf die Versiegelung des Bodens
Wir streben generell an, dass Baumaßnahmen zu einer möglichst geringen Bodenversiegelung führen. Durch die geplanten Baumaßnahmen gehen Grün- und Waldflächen verloren und die Versiegelung im Planungsgebiet wird sich um ca. 30.000 qm erhöhen. Im Vergleich zum bisherigen Baurecht wird eine zusätzliche Versiegelung von ca. 7000 qm zugelassen, was jedoch ausdrücklich keine Vermehrung des Bauvolumens bedeutet.
Nach unserem Kenntnisstand wird die Gemeinde Maßnahmen zur Vermeidung, Verminderung und zum Ausgleich der nachteiligen Auswirkungen vertraglich vorschreiben. Diese Maßnahmen umfassen u.a. eine Begrünung von Flachdächern (ab einer Fläche von 100 qm), dauerhafte Begrünung von mind. 20 % der Grundstücksflächen, Pflanzung von standortgerechten Laubbäumen und heimischen, standortgerechten Sträuchern zwischen den neuen Gebäuden, versickerungsfähige Stellplätze). Dies kompensiert in unseren Augen die negativen Auswirkungen der Baumaßnahmen durch zusätzliche Bodenversiegelung in ausreichender Weise.
F Auswirkungen auf den Verkehr
Wir streben generell eine Reduzierung des Verkehrs an, soweit dieser klimaschädlich ist oder zu Lärm- oder anderen Belästigungen der Bevölkerung führt.
Laut UI ist mit dem Projekt Big-Wings keine Zunahme des Lieferverkehrs verbunden. Das erstellte Verkehrsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der geänderte Bebauungsplan gegenüber den aktuellen Bebauungsplänen (bei vollständiger Nutzung des zulässigen Baurechtes) zu einer geringfügigen Verkehrsreduzierung führt.
Aufgrund dieser voraussichtlich geringen Auswirkung auf den Verkehr sehen wir keine Möglichkeit, das Thema Verkehr im Rahmen der Diskussion um die Bebauungsplanung zu behandeln.
Da aber auch bisher schon ein Großteil des durch UI verursachten Verkehrs per LKW erfolgt, regen wir an – unabhängig von der aktuellen Diskussion um die neue Bebauungsplanung – mit UI zu diskutieren, wie mittel- bis langfristig die gesundheitsschädlichen und klimaschädlichen Emissionen sowie die Lärm-Emissionen durch den LKW-Verkehr schrittweise verringert werden können.
G Energiebedarf und Energieerzeugung
Für die geplanten neuen Gebäuden von UI besteht ein zusätzlicher Energiebedarf primär für Kühlzwecke, in geringerem Maße auch für Beleuchtung. Angesichts der äußerst hohen Bedeutung des Klimaschutzes halten wir es für überaus wichtig, dass generell auch für ein Unternehmen wie UI a) der bisherige Energieverbrauch reduziert wird (z.B. durch Effizienzverbesserungen), b) der verbleibende Energieverbrauch mit einem klaren Stufenplan – bis spätestens 2045 – auf eine CO2-neutrale Energieerzeugung umgestellt wird, c) neu entstehender Energieverbrauch soweit möglich von Beginn an CO2-neutral erzeugt wird.
Daher würden wir es zum einen sehr begrüßen, wenn auf den neuen zu errichtenden Gebäuden (oder auch auf Bestandsgebäuden, falls die neuen Gebäude z.B. aufgrund von Druckentlastungsflächen im Dach ungeeignet sind) Solarenergieanlagen zur (bilanzmäßigen) Deckung des zusätzlichen Energiebedarfs errichtet werden und dies ebenfalls vertraglich vereinbart wird.
Weiterhin würden wir es ebenfalls sehr begrüßen, wenn UI einen Stufenplan vorlegt, der die schrittweise Umstellung auf eine CO2-neutrale Energieerzeugung (bis spätestens 2045) beschreibt.
H Nutzung von Quellwasser und Wasser aus dem Isarwerkkanal durch UI
Seit 1998 nutzt UI das Quellwasser der ehemaligen Hangquellen der Wasserversorgung Pullach zu Betriebszwecken als Prozess- und Kühlwasser (2018: 4.175 m3). Da der Isarhang nicht mehr als Wasserschutzgebiet ausgewiesen ist, kann es nicht mehr als Trinkwasser genutzt werden. Die Nutzung des Wassers wird der VBS vergütet. UI hat ferner die Genehmigung, Wasser aus dem Isarwerkkanal zu Kühlzwecken zu entnehmen (2018 7944 m3) und wieder einzuleiten (2018 insgesamt 11.844 m3).
Nach unserer Auffassung soll die Temperatur des rückgeführten Wassers laufend überwacht werden. Die Erwärmung des Wassers im Isarwerkkanal muss unter 0,8 ° bleiben. Zudem muss UI gewährleisten, dass keine unerwünschten Stoffe mit dem rückgeführten Kühlwasser in die Isar gelangen.
Fazit:
Mit unseren Forderungen zum Natur- und Artenschutz kann der Bebauungsplan in die nächste Phase gehen. Im letzten Gespräch der Fraktionen von SPD, PP und uns GRÜNEN hat sich das Unternehmen zudem offen gezeigt, dass unsere Vorschläge für die zunehmende Nutzung regenerativer Energie im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags umgesetzt werden. Ferner soll verbindlich vereinbart werden, dass neue Werkwohnungen entstehen, dass es eine immer einsatzbereite Werksfeuer gibt und dass es neue Räume für den Isartaler Tisch zur Verfügung gestellt werden. Die Verhandlungen mit UI bringen nach unserer Auffassung für Pullach großen Nutzen und sind der von manchen geforderten Verweigerungspolitik unbedingt vorzuziehen, da ohnehin nur eine Verzögerung erreicht werden könnte.
Ganz grundsätzlich begrüßen wir es, dass die Fähigkeit zur Produktion komplexer, hochwertiger Stoffe in Deutschland besteht und erhalten bleibt. Die notwendige Transformation des Industriesektors in Deutschland darf nicht bedeuten, dass zentrale industrielle Fähigkeiten “auswandern” und damit weitere Abhängigkeiten von Lieferketten aus außereuropäischen Industriestandorten entstehen und hochwertige Arbeitsplätze verloren gehen.
Dies gilt auch und gerade, wenn die Industrieproduktion das Hantieren mit Gefahrstoffen beinhaltet. Wir sind davon überzeugt: Wer, wenn nicht wir, ist in der Lage, Standards zur Risikominimierung zu anzuwenden, zu überwachen und laufend zu optimieren.
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