Der Blick in den letzten Isaranzeiger und die Darstellungen aller Fraktionen des Pullacher Gemeinderats zum Thema der Flüchtlingsunterbringung hat vor allem eines verdeutlicht:
Es gibt sehr viele unterschiedliche, z. T. sogar krass gegensätzliche Sichtweisen dieser Thematik.
Das ist nun nicht weiter verwunderlich und letztlich unter anderem der Komplexität der Ursachen und den vor Ort eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten geschuldet.
Wie sieht die Diskussion in Deutschland aus?
Angesichts der drastischen Zunahme von fremdenfeindlichen Hasskommentaren im Netz (Facebook etc.), der immer offener geäußerten Herabwürdigung von Menschen, der pauschalisierenden Verdächtigung großer Teile der ankommenden Flüchtlinge, der Zunahme rechtsextrem motivierter Gewalttaten, scheint es zunehmend schwieriger zu werden, sich sach- und faktenorientiert dieser großen Herausforderung zu stellen.
Sascha Lobo schreibt (http://www.spiegel.de/netzwelt/web/koeln-silvester-mob-und-gegenmob-kolumne-a-1070724.html) angesichts der schrecklichen Gewalttaten von Köln von einer „bislang einzigartig erscheinenden Welle rassistischer Empörung (…), die alle Elemente eines digitalen Mobs beinhaltet:
- eine radikale, menschenfeindliche Pauschalisierung (die von Kölner Straftätern auf sämtliche ähnlich aussehende Menschen schließt, zum Beispiel)
- eine sich verstärkende Enthemmung, bei der ein gegenseitiges Aufschaukeln stattfindet (jede rassistische Grenzüberschreitung verschiebt die Grenze des akzeptabel Erscheinenden etwas)
- die Verbreitung eines quasi-apokalyptischen Gefühls zur Rechtfertigung von radikalisierten Gedanken und Handlungen
- Aufrufe und konkrete Planungen zu Racheakten und Gewalttaten (…)“
Und was passiert im Isartal?
Was die Faktenlage für das Isartal betrifft, so war der Hinweis von Polizeihauptkommissar Andreas Aigner aus Grünwald im Isaranzeiger vom 28. Februar sehr wichtig: „Bislang wurde kein einziges derartiges Delikt (Raub, schwerer Diebstahl, Vergewaltigung, Anm. d. Verf.) bei der Polizei bekannt oder zur Anzeige gebracht.“ Er wies vielmehr darauf hin, dass in den letzten Wochen durch anonymisierte und falsche Behauptungen Mitbürger stark verunsichert und in ihrem subjektiven Sicherheitsempfinden nachhaltig gestört wurden.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Verengung der Diskussion auf ideologische „Alarmbegriffe“ schreibt Carolin Emcke in der SZ vom 22. Januar: „Was verloren geht, ist der Raum für das Erörtern komplizierter, womöglich uneindeutiger Positionen. Und was verloren geht, sind der Mut und die Lust, echte Pluralität auch auszuhalten und zu verhandeln.“
Wir haben bislang als Gemeinderat, unter anderem aufgrund der verschobenen Mehrheitsverhältnisse, häufig sehr lange und ausführlich diskutiert oder auch gestritten. Wir dürfen uns dieses manchmal zähe und langwierige Ringen um tragfähige Lösungen für Pullach auch weiterhin nicht nehmen lassen, denn es ist ein Zeichen gegen Vereinfachung und Radikalisierung, das heutzutage so notwendig erscheint.
Differenzierung ist Zivilisation, wie Lobo weiter schreibt. Und diese sollten wir couragiert und mutig vertreten, in Pullach und überall.
Aktualisierung:
Mit einem Antrag von FDP, CSU und WiP wurde in der Sitzung am 2. Februar das Ringen um durchdachte und nachhaltige Lösungen mit einer Mehrheit von 11:9 Stimmen jäh und unrühmlich beendet! Mehr dazu in Kürze auf unserer Webseite!
P.S.
Ein hierzu lesenswerter Text eines Arztes in einem Erstaufnahmelager für Flüchtlinge: https://m.facebook.com/raphaele.lindemann/posts/1129635500380936 (Link auf unserer Webseite!)
Fabian Müller-Klug
Für die Fraktion der GRÜNEN im Gemeinderat Pullach.
Anregungen, Kritik, Fragen? Gerne hier auf der Webseite oder per Mail an: fraktion@neu.pullach-gruene.de
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